Der Nordföhn beschert dem Tessin am 18. November 2022 erneut einen sonnigen Tag. Wir wollen den nutzen und einem Nachbarn des letzte Woche bestiegenen Monte Tamaro einen Besuch abstatten. Der Monte Gambarogno ist von der Alpe di Neggia aus unschwierig in einer knappen Stunde zu erreichen, entsprechend häufig wird er wohl bestiegen. Wir werden aber gut 5 Stunden unterwegs sein, bevor wir die grandiose Aussicht vom Gipfel geniessen dürfen. Los geht unsere Wanderung ebenfalls auf der Alpe di Neggia, die von Vira auf einer kurvenreichen Strasse gut erreichbar ist. Wir wandern auf gutem und schönem Weg südlich des Gipfel in Richtung Sant'Anna. Vom grossen Waldbrand im Februar dieses Jahres sieht man erstaunlich wenig. Viele der verbrannten Bäume sind inzwischen gefällt und nur gelegentlich läuft man an herumliegendem verkohltem Holz vorbei. Einzig gleich unterhalb des Gipfels des Gambarogno steht gut sichtbar noch ein ganzer Abschnitt des Waldes verbrannt herum. Da die Bäume jetzt Mitte November bereits entlaubt sind, laufen wir auch im Wald immer in der Sonne, die uns heute praktisch den ganzen Tag über beglückt. Kurz vor Sant'Anna verlassen wir für ein paar Meter den Weg und kürzen ab zu einem aufgegebenen Wanderweg, der uns – das Valle del Ri querend – nach Italien hinüber führt. Der Weg wird wohl wenig begangen, ist aber gut sichtbar und sowohl auf der Schweizer wie auch auf der Italienischen Seite markiert. Östlich von Cangili erreichen wir eine gute Fahrstrasse, die uns in dieses wohl ehemals ganzjährig bewohnte Dorf führt. Heute ist allerdings kein Bein zu sehen, nur ein Stromaggregat blubbert irgendwo vor sich hin. Etwas eintönig folgen wir nun dieser Strasse gegen Monterecchio hin, welches wir aber westlich umgehen, um auf einen nicht sehr angenehmen schottrig-lottrigen Weg zu gelangen, der uns zum Monte Corbaro hinauf führt. Der Nordföhn hat inzwischen etwas zugenommen, so dass unsere erste Pause nicht allzu lange dauert. In der Senke vor dem Covreto erreichen wir wieder die Schweiz. Nun sind wir dem Wind ziemlich ausgesetzt und laufen stracks weiter einem guten Weg folgend hinunter zum Oratorio di Sant'Anna. Ab hier wollen wir den Monte Gambarogno direkt besteigen. Die OpenStreetMap zeigt einen Weg, der direkt gegen den Punkt 1522 hin ansteigt, während die Schweizerische Landestopographie davon nichts wissen will. Wir sehen beim Oratorio auch keinen entsprechenden Wegweiser und laufen per GPS-Navigation in den hier lockeren Buchenwald hinein. Bald schon stossen wir allerdings auf eine Spur, die uns meist deutlich sichtbar und sogar mit roter Farbe markiert hinauf leitet. Zwar ziemlich steil aber unschwierig erreichen wir den Rücken, der das Val Giona vom Lago Maggiore trennt. Der auch hier meist deutlich sichtbare Pfad führt uns weiterhin ohne Probleme nun direkt zum Gipfel des Gambarogno. Hier oben weht nun der Nordföhn kräftig, und es ist überhaupt deutlich kühler geworden. Die Aussicht ist phänomenal, überblickt man doch weite Teile des Lago Maggiore, und das Auge reicht auch heute weit über die Westalpen hinunter gegen Südwesten. Der mehr als 200 km entfernte Monte Viso zeigt sich wieder mal deutlich wie selten. Für den kurzen Abstieg zurück zur Alpe di Neggia muss Paul noch eine Schicht mehr und sogar die Handschuhe anziehen, so kühl ist es inzwischen geworden. Für uns recht überraschend ist das eine wirklich schöne Tour!